Ortsbeirat und Chronikteam des Dorfvereins stellen Projekt „DENKMAL Sterbfritz - Den Gefallenen und den Opfern des Holocaust einen Namen geben“ im Entwurf vor.
„Wir Sterbfritzer haben einen erheblichen Nachholbedarf im Erinnern und Gedenken an unsere 90 im Zweiten Weltkrieg gefallenen und die über 30 im Holocaust ermordeten Mitbürger. Diese Geschichtslücke wollen wir nun schließen. Später als die anderen, aber noch nicht zu spät“. Mit diesem Statement eröffnete Ortsvorsteher Wilhelm Merx einen ersten Informations- und Gedankenaustausch mit Bürgermeister Thomas Henfling, dem 1. Beigeordneten Ernst Heinbuch, den Sterbfritzer Beisitzern im Gemeindevorstand Helmut Sperzel und Gerald Blum und dem stellvertretenden Ortsvorsteher Axel Schneider über eine gemeinsame Erinnerungsstätte vor der Ev. Kirche.
Alle anderen Ortsteile der Gemeinde Sinntal außer Sterbfritz und Züntersbach hätten schon seit Jahrzehnten die Erinnerung an ihre Gefallenen in Gedenktafeln wachgehalten, erklärte Merx. Und Städte wie Schlüchtern und Brückenau mit ebenfalls hohen jüdischen Bevölkerungsanteilen wie Sterbfritz hätten in angemessener Form an ihre im Holocaust ermordeten jüdischen Bürger gedacht. Es entspräche „unserem Verständnis von Kultur und Menschlichkeit“, dass die Namen der gefallenen Soldaten und der ermordeten Juden nicht in der totalen Anonymität untergehen. Das „gehört sich einfach so“ und „steht außer Frage“, wurde von Seiten der politisch Verantwortlichen konstatiert.
Warum ein längst überfälliges „Erinnerungs-, Gedenk- und Mahnmal“ in Sterbfritz notwendig sei, schilderte Heimatforscher Thomas Müller beispielhaft am Schicksal des mit 20 Jahren bei Stalingrad vermissten Heinrich Euler. Der junge Sterbfritzer hatte wenige Tage vor seinem Tod bei Stalingrad seinen Eltern in einem Brief sein Entsetzen und seine Angst vor den Grausamkeiten des Krieges geschrieben. Als Beispiel für die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Sterbfritzer beschrieb der Historiker das Schicksal der von Josef und Klara Goldschmidt, die wie die anderen jüdischen Familien fest in die Dorfgemeinschaft eingebunden waren und 1941 deportiert und ermordet worden sind. Wie gut nachbarschaftlich das christlich- jüdische Zusammenleben in Sterbfritz war, sei in mehreren Lebenserinnerungen dokumentiert worden, unter anderem in den Büchern von Max Dessauer, Heinz Schuster und Johann Georg Schwarz.
Welche Gestalt ein künftiges Denkmal annehmen könnte, präsentierte Architekt Carsten Kirst: Es soll in der Form eines „geschichtlichen Lehrpfades“ aus drei aufeinanderfolgenden Plätzen bestehen - dem Platz der Gemeinschaft, dem Platz der Zerstörung sowie dem Platz der Annäherung - und verkörpert die Dorfgeschehnisse von 1914 bis heute. Die Besucher sollen an dieser Erinnerungsstätte erfahren, wie 139 Männer des Ortes in zwei sinnlosen Kriegen fielen und wie die mehr als 300 Jahre bestehende christlich-jüdische Dorfgemeinschaft während der NS-Herrschaft durch die Ermordung von 32 jüdischen Bürgern vollkommen zertrümmert wurde. Die Ereignisse von damals wirken bis in unsere heutige Zeit hinein. Das DENKMAL Sterbfritz soll ein Appell zur Verständigung und zum vorurteilsfreien Umgang miteinander sein – ein Ort des geschichtlichen Lernens, gegen den Krieg und für den Frieden.
Die Gäste der politischen Gemeinde verfolgten mit Interesse die Vorstellungen des Ortsvorstehers, der Heimatgeschichtler und die Präsentation des Architekten und sprachen ihre Anerkennung aus. Ein gemeinsames Projekt des Erinnerns und Gedenkens an die gefallenen und ermordeten Sterbfritzer stehe selbst nicht in Frage. „Das Vorhaben finde ich gut“, kommentierte Bürgermeister Henfling. Zugleich müsse konstatiert werden, dass die Gemeinde allein die Realisierung des skizzierten Projekts nicht stemmen könne. Eine weitgehende Unterstützung sei unumgänglich. Man vereinbarte, nach erfolgter Ermittlung der Kosten wieder in dieser Runde zusammenzukommen, um über das weitere Vorgehen zu sprechen. Weiter wurde angeregt, dass der Ortsvorsteher, das Chronikteam und der Architekt das Projekt im öffentlichen und politischen Raum intensiv kommunizieren. Von Seiten der Gastgeber wurde die Empfehlung dankbar aufgegriffen. Wilhelm Merx konnte von der bereits angelaufener Suche nach Fördermöglichkeiten und Sponsoren berichten. Auch seien Veranstaltungen geplant, die neben der Information der Öffentlichkeit über Projekt und geschichtliche Zusammenhänge auch das Sammeln von Spenden beinhalten.
Die erste öffentliche Projektvorstellung findet am 6. September in der Mehrzweckhalle Sterbfritz statt.